Nutellastulle & Neuronale Netze

Nutellastulle & Neuronale Netze

Es war Montagmorgen, ich saß wie so oft vor meinem Rechner, ein halbgegessenes Nutellabrot links neben mir, die erste Tasse Kaffee rechts – bereit, in eine neue Woche zu starten. Auf dem Plan: Eine neue Funktion für ein Tool, das wir intern in Servity entwickelten. Ich überflog die Anforderungen, erste Ideen formten sich im Kopf. Dann die klassische Szene:


"Das hab ich doch irgendwo schon mal gemacht..."

"Wie war das nochmal mit dieser komischen API?"

"Moment, hat das nicht mal Kollege XY so gelöst?"

Früher hätte ich genau das getan: Nachfragen. Slack anschmeißen. Vielleicht einen Teams-Call aufmachen. Oder wenn's niemand wusste Stack Overflow durchforsten. Und ja, man kam meistens ans Ziel. Irgendwann. Nach dem dritten Tab, der fünften Antwort, dem achten "Hmm, fast, aber nicht ganz".

Dann kam ChatGPT.

Und mit ihm der Hype. Überall wurde gesprochen, geschrieben, spekuliert. KI hier, KI da. Prompt Engineering. Co-Piloten. Revolution.

Während das Internet diskutierte, saß ich weiter mit meinem Nutellabrot am Schreibtisch und dachte:

"Was kann das Ding eigentlich wirklich? Kann es mir helfen? Oder ist das nur ein weiteres Buzzword, das wir alle in ein paar Monaten wieder vergessen?"

Ich probierte es aus und stellte schnell fest: Die allgemeine Power ist beeindruckend. Aber mein tägliches Tech-Stack – insbesondere Servity – ist ChatGPT komplett fremd. Es gab keine spezifischen Antworten zu unseren Custom-Feldern, keine Details zu unseren internen Event-Strukturen, keine Ahnung von unseren Workflows oder Skriptformaten.

Und dann kam mir die Idee: "Was, wenn ich es ihm einfach beibringe?". Ich meine – wir Menschen lernen durch Wiederholung, durch Feedback, durch Erfahrung. Warum sollte das bei einer KI anders sein?

Ich startete also einen neuen Chat unter der "Team" Lizenz und gab ihm einen Namen:

"Experte mit KI-Werten"

Eine Art digitales Tagebuch meines technischen Alltags. Jedes Mal, wenn ich eine Servity-spezifische Frage hatte, landete sie dort. Und wenn die Antwort nicht passte? Dann besorgte ich mir die richtige Info aus der Doku, aus altem Code, von Kollegen und gab sie zurück. Stück für Stück fütterte ich ChatGPT mit Wissen. Kein Copy-Paste aus dem Internet, sondern echtes Know-how, das genau auf meine Welt zugeschnitten ist.

Und siehe da – es wirkte.

Nach und nach wurde der Chat immer besser. Die Antworten wurden präziser, kontextreicher, oft so formuliert, als hätte ich sie selbst geschrieben. Keine allgemeine Theorie mehr, sondern praktikable Lösungen für konkrete Probleme.

Das Ganze hatte nur einen Haken: Der Chat wurde... lang. Irgendwann zu lang. Ich konnte keine neuen Fragen mehr stellen, da der Chat regelmäßig abstürzte.

Also startete ich einen zweiten Chat. Dieses Mal achtete ich bewusst auf Kürze, Prägnanz, Klarheit. Keine langen Erklärungen, keine doppelten Screenshots. Nur das, was wirklich nötig war. Und tatsächlich: Es lief und das bis heute.

Das Ergebnis?

Ich bin schneller geworden.

Nicht, weil ChatGPT mir alles abnimmt – das tut es nicht. Aber weil es meine Zwischenschritte beschleunigt.

Ich brainstorme Ideen in Minuten statt Stunden.

Ich überbrücke Wissenslücken, ohne Foren zu durchforsten.

Ich schreibe Skripte, die direkt ins Schwarze treffen, weil ich den Fokus nicht verliere.

Und ganz ehrlich: Das macht Spaß.

Ist das jetzt die große Revolution?

Ich weiß es nicht. Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Aber in meiner kleinen technischen Welt, zwischen Nutellastulle und JavaScript, ist es eine stille, aber tiefgreifende Veränderung. Ich arbeite effizienter. Ich lerne mehr. Und ich verliere weniger Zeit mit dem Suchen und mehr mit dem Bauen.

Und das fühlt sich verdammt gut an.

Kirill Schmidt Kasper - Senior Technical Consultant